Die Unabhängigkeit Indiens 1947

Mahatma Ghandi: Inbegriff des gewaltlosen Widerstands

Der britische Premierminister Clement R. Attlee proklamierte am 15. August 1947 die Unabhängigkeit Indiens von der Kolonialherrschaft seines Landes, die damit nach rund 200 Jahren endete. Geistiger Vater der Unabhängigkeitsbewegung im 20. Jahrhundert ist Mahatma Ghandi, der zugleich zum Inbegriff des gewaltlosen Widerstands wurde.  Mit der Unabhängigkeit des ehemaligen Kaiserreiches Indien (Indian Empire) vollzog sich auch die Teilung Indiens in den Säkularstaat Indien und den muslimischen Staat Pakistan. Im Zuge der Entstehung beider Staaten begaben sich ca. vier Millionen Muslims auf die Flucht nach Pakistan und rund sieben Millionen Hindus und Sikhs nach Indien. In der Folge entstanden zwischen Indien und Pakistan mehrere Grenzstreitigkeiten um Kashmir, die zu Kriegen mit Millionen Opfern führten.

Indien als Kolonie von Großbritannien

Der Indische Aufstand 1857, auch bekannt als Sepoyaufstand, richtete sich gegen die britische Kolonialherrschaft auf dem indischen Subkontinent. Er wurde von den Briten niedergeschlagen. In der Folge wurde das dortige Kolonialterritorium neu organisiert. Das britische Könighaus machte sich die Rechte der East India Company, die bis 1857 das Kolonialreich Indien organisierte, zu eigen. Es wurde 1858 das Kaiserreich Indien (Indian Empire). Damit verbunden waren in der Folgezeit wichtige Reformen in den Bereichen Verwaltung, Kolonialverfassung und Militär sowie Modernisierungen in den Bereichen Verkehr und Kommunikation. Im Jahr 1885 wurde der Indische Nationalkongress INC, die spätere Kongresspartei, von Hindus und Moslems gegründet, um nationale Interessen und Ansprüche gegen die Kolonialherrscher zu formulieren und durchzusetzen. Darin liegt der Grundstein zur Bewegung der Unabhängigkeit des Landes. Bewegten sich anfangs die politischen Aktivitäten des INC noch im Rahmen der Kolonialverwaltung und –verfassung, so wurden Anfang des 20. Jahrhunderts die Forderungen nach indischer Anteilnahme an der Landesregierung immer deutlicher. Im Jahr 1906 gründete sich die All-India Muslim League (Muslimliga) als Ausdruck eines erstarkenden Bewusstseins der muslimischen Bevölkerung und als Gegengewicht zum wachsenden Einfluss der Hindus im INC.

Nationale Interessen erweckt

Die Teilung der muslimisch-hinduistischen Provinz Bengalen führte zur Radikalisierung der Kongresspartei und zu gewaltigen Protesten gegen die britischen Herrscher, die daraufhin 1909 Verfassungsreformen vollzogen. Die Gewalttätigkeiten des Ersten Weltkriegs steckten vor allem in den Regionen Bengalen und Punjab die indische Nationalbewegung an. INC und Muslimliga bemühten sich erstmals gemeinsam um weitere Reformen. Die Briten reagierten darauf unter anderem mit den Montagu-Chelmsford (Montford)-Reformen von 1921, die dem Land eine neue Verfassung oder das Wahlrecht für zehn Prozent der erwachsenen männlichen Bevölkerung bescherten. Ab 1920 machte Mahatma Gandhi, 1914 zurückgekehrt aus Südafrika, wo er sich für Minderheitsinteressen von Indern eingesetzt hatte, aus dem INC eine mächtige Masseneinrichtung, der späteren Kongresspartei. Als Führer des INC lehnte er die jüngsten Reformen der Briten als zu geringfügig ab.

Gewaltloser Befreiungsschlag

Mit Mahatma Ghandi begann der gewaltlose Widerstand gegen die Kolonialmacht und das Unabhängigkeitsstreben nahm indienweit konkrete Formen an, auch wenn er zeitweise von den Briten verhaftet wurde. Sein Aufruf zur Unabhängigkeit befolgten auch andere Gruppen wie die Sikhs, Bhimrao Ramji Ambedkar wurde zum politischen Führer der Unberührbaren (Dalits) oder in Südindien formierte sich die Gerechtigkeitspartei, die für separate Wahlkreise für Hindus eintrat. Die Kongresspartei forderte die nationale Unabhängigkeit bis zum 26. Januar 1930. Ghandi veranstaltete eine Form des zivilen Ungehorsams und fand darin eine breite Anhängerschaft. Am 12. März 1930 startete er seinen legendären Salzmarsch ans Arabische Meer, dem viele Menschen folgten. Dort sammelte er Salz und verstieß gegen das britische Monopol zur Salzgewinnung. Es folgte nicht nur seine Verhaftung, sondern weitere rund 100.000 Anhänger und die Führung der Kongresspartei wurden festgesetzt. Im Jahr 1935 nahm Ghandi an der Indienkonferenz in London teil. Dort wurde eine neue Verfassung beschlossen, die Föderalimus und Parlamentssitze für Minderheiten zuließ. Die vollständige Unabhängigkeit blieb unentschieden. 1937 gewann die Kongresspartei die Mehrheiten in den meisten Provinzen, eine Regierungsbeteiligung des Muslimliga lehnte sie ab.

Während des Zweiten Weltkriegs

Während des Zweiten Weltkriegs litten viele Inder unter der britischen Herrschaft. Die daraufhin radikalisierte Kongresspartei organisierte weitere Aktionen des zivilen Ungehorsams, um die Unabhängigkeit durchzusetzen. Britische Zugeständnisse 1942 reichten nicht aus und es folgte die „Quit-India-Kampagne“ der Kongresspartei.. Mit ihrer Niederschlagung wurden auch führende Partei-Mitglieder verhaftet. 1945 erzielte die Labour-Partei, die für eine Unabhängigkeit Indiens eintrat, die Regierungsmacht. Zugleich forderte die Muslimliga einen eigenen Staat Pakistan. Die Briten propagierten eine weitgehende Provinzautonomie, um die Teilung Indiens zu verhindern. Kongresspartei und Muslimliga zeigten sich damit einverstanden, doch es gab es Unstimmigkeiten wegen der Verteilung der Kabinettssitze und unterschiedliche religiöse Auffassungen. Noch vor der offiziellen Unabhängigkeit zeichnete sich die Spaltung des Landes ab. Der britische Vizekönig Lord Mountbatten eröffnete 1947 den Plan zur Unabhängigkeit und Teilung, die für den 14./15. August des Jahres festgesetzt wurde. Ghandi und Jawaharlal Nehru, erster Ministerpräsident Indiens, waren gegen die Teilung. Ghandi, nachdem er sie gezwungenermaßen akzeptieren musste, setzte sich für eine friedliche Teilung ein. Er wurde am 30. Januar 1948 von einem fanatischen Hindu erschossen.

Eine Million Tote

Kurz nach der Teilung brach auf beiden Seiten eine Massengewalt gegen die jeweiligen Minderheiten beider Länder los, die zu rund einer Million Tote führte. Rund zwölf Millionen Menschen flüchteten. Doch Frieden brachte die Teilung nicht, da rund ein Drittel der Muslime in Indien verblieb.